Chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) ist mehr als anhaltende Erschöpfung: Betroffene dieser schweren, noch nicht geheilten Krankheit leiden unter starker körperlicher Schwäche, Kopf- oder Muskelschmerzen sowie neurokognitiven und immunologischen Symptomen. Besonders charakteristisch für ME/CFS ist die sogenannte Post-Exercise-Malaise (PEM): Nach körperlicher Anstrengung wird die Erschöpfung so schlimm, dass es im Extremfall sogar zu einem „Crash“ kommen kann – einer Schwäche, die Stunden oder Tage anhält und lässt den Betroffenen in Bauchlage und teilweise immobilisiert zurück.
Kann Covid-19 ME/CFS verursachen?
Das Chronische Erschöpfungssyndrom galt lange Zeit als psychosomatische Erkrankung, da es keine subjektiv messbaren diagnostischen Kriterien zu geben schien. Inzwischen haben Wissenschaftler jedoch zahlreiche Biomarker sowie typische Veränderungen in der Gehirn- und Darmflora von ME/CFS-Patienten entdeckt. Es gibt auch zunehmend Hinweise darauf, dass das Erschöpfungssyndrom häufig als Spätfolge von Virusinfektionen wie Epstein-Barr-, Dengue- und Enteroviren auftritt. Da viele Patienten auch nach einer Coronavirus-Infektion unter anhaltender Erschöpfung leiden, wird seit langem vermutet, dass zumindest ein Teil der Betroffenen ein ausgewachsenes ME/CFS entwickeln wird. „Bereits in der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie wurde vermutet, dass Covid-19 ein Auslöser für ME/CFS sein könnte“, sagt Seniorautorin Carmen Scheibenbogen von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Allerdings ist der wissenschaftliche Beweis dieser Hypothese nicht trivial.“ Denn die typische Erschöpfung des Long-Covid- und Post-Covid-Syndroms könnte auch eine postansteckende Müdigkeit sein. Diese Spätwirkung kann nach verschiedenen Infektionskrankheiten auftreten und Wochen bis Monate anhalten, bessert sich dann aber von alleine.
Vergleich von Post-Covid-Erkrankten mit ME/CFS
Um das typische Post-Covid-Erschöpfungssyndrom genauer einzuordnen, untersuchten Scheibenbogen und ihre Kollegen 42 Personen im Alter zwischen 22 und 62 Jahren, die im Jahr 2020 an Covid-19 erkrankt waren und meist einen milden Verlauf hatten. Nach der akuten Infektion entwickelten jedoch alle eine chronische Erschöpfung, die mehr als sechs Monate andauerte und ihr tägliches Leben stark einschränkte. Die meisten Betroffenen konnten nur zwei bis vier Stunden am Tag leichte Arbeiten verrichten, einige konnten gar nicht arbeiten. Für ihre Studie haben die Forscher alle Teilnehmer umfassenden neurologischen, kardialen, immunologischen und pulmonalen Untersuchungen unterzogen und anhand der sogenannten Canadian Consensus Criteria die Art der chronischen Müdigkeit bewertet. „Dieser Kriterienkatalog wurde wissenschaftlich entwickelt und im klinischen Alltag bewährt, um das Chronische Erschöpfungssyndrom eindeutig zu diagnostizieren“, erklärt Scheibenbogens Kollegin Judith Bellmann-Strobl. Eine Kontrollgruppe bestand aus 19 Personen mit ähnlicher Altersverteilung, die nach einer weiteren Infektion ME/CFS entwickelt hatten.
Die Hälfte erfüllt alle CFS-Kriterien
Das Ergebnis: „Wir können zwei Personengruppen unterscheiden, die nach Covid mit stark reduzierter Belastbarkeit betroffen sind“, berichtet Bellmann-Strobl. Die Forscher diagnostizierten bei fast der Hälfte der Teilnehmer ein voll ausgeprägtes ME/CFS. „Dies bestätigt die Besorgnis, dass Covid-19 bei jungen Menschen nach einer leichten bis mittelschweren Coronavirus-Infektion ME/CFS verursachen kann“, sagte das Team. Auch bei der anderen Hälfte der Teilnehmer traten einige typische Ermüdungserscheinungen auf, wie z. B. Unwohlsein nach dem Training. Diese nach körperlicher Anstrengung auftretende Erschöpfung war jedoch meist nicht so stark und hielt nur wenige Stunden an. Auch bei den Laborwerten gab es teilweise deutliche Unterschiede, und auch die Prognose scheint besser: „Bei vielen Menschen, die ME/CFS-ähnliche Symptome haben, aber nicht das vollständige Krankheitsbild entwickeln, scheinen sich die Symptome langfristig zu bessern, “, erklärt Scheibenbogen.
Möglichkeit verschiedener Mechanismen
Analysen verschiedener Blutwerte legen nahe, dass auch die physiologischen Ursachen der Erschöpfung bei diesen beiden Gruppen unterschiedlich sind. „Unter anderem fanden wir bei Menschen mit weniger schwerer Belastungsintoleranz heraus, dass sie weniger Kraft in den Armen hatten, wenn sie einen erhöhten Spiegel des Immunstoffs Interleukin-8 hatten. In diesen Fällen kann die reduzierte Muskelkraft auf eine anhaltende Entzündungsreaktion zurückzuführen sein“, sagt Scheibenbogen. „Bei ME/CFS hingegen war die Handkraft mit dem Hormon NT-proBNP assoziiert, das bei schlechter Sauerstoffversorgung aus den Muskelzellen ausgeschüttet werden kann“, sagt der Forscher. “Dies könnte darauf hindeuten, dass eine verminderte Durchblutung für ihre Muskelschwäche verantwortlich ist.” Diese neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, spezifische Behandlungen für das Post-Covid-Syndrom und ME/CFS zu entwickeln.
Derzeit gibt es keine kausale Behandlung für ME/CFS
Die Ergebnisse bestätigen aber auch die Befürchtung, dass in Folge der Coronavirus-Pandemie deutlich mehr Menschen von dem noch nicht geheilten ME/CFS betroffen sein werden. „Leider können wir ME/CFS derzeit nur symptomatisch behandeln. Deshalb kann ich jungen Menschen nur empfehlen, sich vor einer SARS-CoV-2-Infektion zu schützen, indem sie sich impfen lassen und FFP2-Masken tragen“, betont Scheibenbogen. (Nature Communications, 2022; doi: 10.1038/s41467-022-32507-6) Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin 1. September 2022 – Nadja Podbregar
title: “Corona Virus Kann Chronisches Ersch Pfungssyndrom Verursachen Studie Belegt Verbindung Zwischen Me Cfs Erm Dungssyndrom Und Covid 19 Klmat” ShowToc: true date: “2022-12-15” author: “Kimberly Kraft”
Chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) ist mehr als anhaltende Erschöpfung: Betroffene dieser schweren, noch nicht geheilten Krankheit leiden unter starker körperlicher Schwäche, Kopf- oder Muskelschmerzen sowie neurokognitiven und immunologischen Symptomen. Besonders charakteristisch für ME/CFS ist die sogenannte Post-Exercise-Malaise (PEM): Nach körperlicher Anstrengung wird die Erschöpfung so schlimm, dass es im Extremfall sogar zu einem „Crash“ kommen kann – einer Schwäche, die Stunden oder Tage anhält und lässt den Betroffenen in Bauchlage und teilweise immobilisiert zurück.
Kann Covid-19 ME/CFS verursachen?
Das Chronische Erschöpfungssyndrom galt lange Zeit als psychosomatische Erkrankung, da es keine subjektiv messbaren diagnostischen Kriterien zu geben schien. Inzwischen haben Wissenschaftler jedoch zahlreiche Biomarker sowie typische Veränderungen in der Gehirn- und Darmflora von ME/CFS-Patienten entdeckt. Es gibt auch zunehmend Hinweise darauf, dass das Erschöpfungssyndrom häufig als Spätfolge von Virusinfektionen wie Epstein-Barr-, Dengue- und Enteroviren auftritt. Da viele Patienten auch nach einer Coronavirus-Infektion unter anhaltender Erschöpfung leiden, wird seit langem vermutet, dass zumindest ein Teil der Betroffenen ein ausgewachsenes ME/CFS entwickeln wird. „Bereits in der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie wurde vermutet, dass Covid-19 ein Auslöser für ME/CFS sein könnte“, sagt Seniorautorin Carmen Scheibenbogen von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Allerdings ist der wissenschaftliche Beweis dieser Hypothese nicht trivial.“ Denn die typische Erschöpfung des Long-Covid- und Post-Covid-Syndroms könnte auch eine postansteckende Müdigkeit sein. Diese Spätwirkung kann nach verschiedenen Infektionskrankheiten auftreten und Wochen bis Monate anhalten, bessert sich dann aber von alleine.
Vergleich von Post-Covid-Erkrankten mit ME/CFS
Um das typische Post-Covid-Erschöpfungssyndrom genauer einzuordnen, untersuchten Scheibenbogen und ihre Kollegen 42 Personen im Alter zwischen 22 und 62 Jahren, die im Jahr 2020 an Covid-19 erkrankt waren und meist einen milden Verlauf hatten. Nach der akuten Infektion entwickelten jedoch alle eine chronische Erschöpfung, die mehr als sechs Monate andauerte und ihr tägliches Leben stark einschränkte. Die meisten Betroffenen konnten nur zwei bis vier Stunden am Tag leichte Arbeiten verrichten, einige konnten gar nicht arbeiten. Für ihre Studie haben die Forscher alle Teilnehmer umfassenden neurologischen, kardialen, immunologischen und pulmonalen Untersuchungen unterzogen und anhand der sogenannten Canadian Consensus Criteria die Art der chronischen Müdigkeit bewertet. „Dieser Kriterienkatalog wurde wissenschaftlich entwickelt und im klinischen Alltag bewährt, um das Chronische Erschöpfungssyndrom eindeutig zu diagnostizieren“, erklärt Scheibenbogens Kollegin Judith Bellmann-Strobl. Eine Kontrollgruppe bestand aus 19 Personen mit ähnlicher Altersverteilung, die nach einer weiteren Infektion ME/CFS entwickelt hatten.
Die Hälfte erfüllt alle CFS-Kriterien
Das Ergebnis: „Wir können zwei Personengruppen unterscheiden, die nach Covid mit stark reduzierter Belastbarkeit betroffen sind“, berichtet Bellmann-Strobl. Die Forscher diagnostizierten bei fast der Hälfte der Teilnehmer ein voll ausgeprägtes ME/CFS. „Dies bestätigt die Besorgnis, dass Covid-19 bei jungen Menschen nach einer leichten bis mittelschweren Coronavirus-Infektion ME/CFS verursachen kann“, sagte das Team. Auch bei der anderen Hälfte der Teilnehmer traten einige typische Ermüdungserscheinungen auf, wie z. B. Unwohlsein nach dem Training. Diese nach körperlicher Anstrengung auftretende Erschöpfung war jedoch meist nicht so stark und hielt nur wenige Stunden an. Auch bei den Laborwerten gab es teilweise deutliche Unterschiede, und auch die Prognose scheint besser: „Bei vielen Menschen, die ME/CFS-ähnliche Symptome haben, aber nicht das vollständige Krankheitsbild entwickeln, scheinen sich die Symptome langfristig zu bessern, “, erklärt Scheibenbogen.
Möglichkeit verschiedener Mechanismen
Analysen verschiedener Blutwerte legen nahe, dass auch die physiologischen Ursachen der Erschöpfung bei diesen beiden Gruppen unterschiedlich sind. „Unter anderem fanden wir bei Menschen mit weniger schwerer Belastungsintoleranz heraus, dass sie weniger Kraft in den Armen hatten, wenn sie einen erhöhten Spiegel des Immunstoffs Interleukin-8 hatten. In diesen Fällen kann die reduzierte Muskelkraft auf eine anhaltende Entzündungsreaktion zurückzuführen sein“, sagt Scheibenbogen. „Bei ME/CFS hingegen war die Handkraft mit dem Hormon NT-proBNP assoziiert, das bei schlechter Sauerstoffversorgung aus den Muskelzellen ausgeschüttet werden kann“, sagt der Forscher. “Dies könnte darauf hindeuten, dass eine verminderte Durchblutung für ihre Muskelschwäche verantwortlich ist.” Diese neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, spezifische Behandlungen für das Post-Covid-Syndrom und ME/CFS zu entwickeln.
Derzeit gibt es keine kausale Behandlung für ME/CFS
Die Ergebnisse bestätigen aber auch die Befürchtung, dass in Folge der Coronavirus-Pandemie deutlich mehr Menschen von dem noch nicht geheilten ME/CFS betroffen sein werden. „Leider können wir ME/CFS derzeit nur symptomatisch behandeln. Deshalb kann ich jungen Menschen nur empfehlen, sich vor einer SARS-CoV-2-Infektion zu schützen, indem sie sich impfen lassen und FFP2-Masken tragen“, betont Scheibenbogen. (Nature Communications, 2022; doi: 10.1038/s41467-022-32507-6) Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin 1. September 2022 – Nadja Podbregar